Unterschätzte Gefahr – Stromunfälle im Betrieb
Ein kurzer Lichtblitz, ein lautes Zischen – und plötzlich ist alles anders. Stromunfälle gehören zu den gefährlichsten Arbeitsunfällen überhaupt. Sie können nicht nur schwere Verletzungen oder sogar tödliche Folgen für Mitarbeiter nach sich ziehen, sondern haben auch erhebliche rechtliche Konsequenzen für das Unternehmen.
Was passiert jedoch, wenn sich im Nachgang herausstellt, dass keine oder keine ordnungsgemäße DGUV V3 Prüfung stattgefunden hat? Die Antwort ist eindeutig: Unternehmen müssen mit empfindlichen Strafen, Schadensersatzforderungen, Regressansprüchen und im schlimmsten Fall sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Folgen eines Stromunfalls ohne DGUV V3 Prüfung, zeigen praxisnahe Beispiele und geben konkrete Empfehlungen, wie sich Unternehmen effektiv schützen können.
1. Gesetzlicher Rahmen: Was schreibt die DGUV V3 eigentlich vor?
Die DGUV Vorschrift 3 ist die maßgebliche Unfallverhütungsvorschrift für den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel. Sie verpflichtet Arbeitgeber dazu, alle elektrischen Geräte und Installationen regelmäßig durch eine Elektrofachkraft prüfen zu lassen – vor der ersten Inbetriebnahme, nach Reparaturen sowie in wiederkehrenden Abständen.
Relevante Grundlagen:
- DGUV Vorschrift 3: Grundlage der elektrischen Sicherheitsprüfung
- § 5 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz): Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung
- § 3 BetrSichV (Betriebssicherheitsverordnung): Anforderungen an sichere Arbeitsmittel
- § 823 BGB: Schadenersatzpflicht bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
- § 13 StGB: Garantenstellung des Unternehmers (Straftat durch Unterlassen)
Die rechtliche Basis ist somit eindeutig: Wird eine vorgeschriebene Sicherheitsprüfung nicht durchgeführt und kommt es dadurch zu einem Unfall, haftet der Unternehmer persönlich – sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich.
2. Stromunfall im Betrieb – Was passiert rechtlich?
Ein Stromunfall hat nicht nur direkte gesundheitliche und technische Folgen. Sobald ein solcher Vorfall eintritt, beginnt eine ganze Kette an Ermittlungen, Begutachtungen und juristischen Prozessen.
Typischer Ablauf nach einem Stromunfall:
- Erste Hilfe und medizinische Versorgung
- Unfallmeldung an die Berufsgenossenschaft (BG)
- Ermittlungen durch die BG und ggf. das Gewerbeaufsichtsamt
- Unfallanalyse durch Sachverständige
- Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Pflichten
- Feststellung möglicher Pflichtverletzungen
- Einleitung rechtlicher Konsequenzen (zivilrechtlich, arbeitsrechtlich, ggf. strafrechtlich)
3. Zivilrechtliche Folgen – Schadenersatz und Schmerzensgeld
Wenn ein Mitarbeiter durch einen Stromunfall verletzt wird und ein Verstoß gegen Prüfpflichten nachgewiesen wird, drohen dem Unternehmen Schadenersatzforderungen.
Mögliche Ansprüche:
- Heilbehandlungskosten, wenn die Berufsgenossenschaft Regress nimmt
- Schmerzensgeld an den verunfallten Mitarbeiter
- Verdienstausfall bei längerfristiger Arbeitsunfähigkeit
- Haushaltsführungsschaden, wenn eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliegt
- Schäden an Drittobjekten (z. B. Gebäude, Maschinen)
In besonders schweren Fällen können Summen im sechs- oder siebenstelligen Bereich entstehen. Ohne vorhandene oder ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung kann das existenzbedrohend sein.
4. Strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführung und Vorgesetzte
Gerade für Geschäftsführer, Betriebsleiter und verantwortliche Führungskräfte hat ein Stromunfall ohne DGUV V3 Prüfung gravierende Folgen. Wird Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz unterstellt, kann das zu strafrechtlicher Verfolgung führen.
Typische Straftatbestände:
- Körperverletzung durch Unterlassen (§ 223, § 13 StGB)
- Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)
- Verstoß gegen Arbeitsschutzpflichten (§ 130 OWiG)
- Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben (§ 130 OWiG)
Je nach Schwere kann dies zu Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen führen. Auch ein Berufsverbot für Geschäftsführer ist in besonders schweren Fällen möglich.
5. Arbeitsrechtliche Folgen – Kündigungen, Abmahnungen, Schadenersatz
Ein Stromunfall kann auch arbeitsrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen Personen im Unternehmen haben.
Szenarien:
- Kündigung wegen grober Pflichtverletzung (z. B. Unterlassen einer vorgeschriebenen Prüfung)
- Regressforderungen gegen Angestellte
- Abmahnungen wegen mangelnder Sorgfalt
- Verlust des Versicherungsschutzes bei grober Fahrlässigkeit
Unternehmer, die ihre Verantwortung nicht ernst nehmen, setzen damit nicht nur ihre Mitarbeiter, sondern auch ihre gesamte Belegschaft aufs Spiel.
6. Versicherungsschutz in Gefahr
Ein unterschätztes Risiko: Die Betriebshaftpflichtversicherung kann die Leistung verweigern, wenn eine grobe Verletzung der Prüfpflicht nachgewiesen wird.
Typische Klauseln in Versicherungsverträgen:
- Ausschluss bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
- Nachweis über Einhaltung gesetzlicher Vorschriften erforderlich
- Regress der Berufsgenossenschaft bei Pflichtverletzung
Ohne bestandene DGUV V3 Prüfung entfällt häufig der Versicherungsschutz – mit dramatischen finanziellen Folgen für das Unternehmen.
7. Imageschaden und Vertrauensverlust
Neben den rechtlichen Konsequenzen wirkt sich ein Stromunfall ohne vorherige Prüfung auch massiv auf das öffentliche und geschäftliche Ansehen eines Unternehmens aus.
Folgen:
- Negative Presseberichte
- Vertrauensverlust bei Kunden und Partnern
- Ausschluss von Ausschreibungen (z. B. öffentliche Aufträge)
- Verunsicherung der Mitarbeitenden
Ein gut gepflegtes Prüfmanagementsystem signalisiert dagegen Verantwortung, Professionalität und Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden und Geschäftspartnern.
8. Präventive Maßnahmen – So vermeiden Sie rechtliche Folgen
Die gute Nachricht: Die meisten Stromunfälle lassen sich durch konsequente Einhaltung der DGUV V3 Vorschriften und geeignete organisatorische Maßnahmen vermeiden.
Handlungsempfehlungen:
- Regelmäßige Schulungen der Führungskräfte und Mitarbeitenden
- Ernennung eines Sicherheitsbeauftragten oder Prüfdienstleisters
- Erstellung eines digitalen Prüfplans mit Fristenüberwachung
- Lückenlose Dokumentation aller Prüfungen
- Sofortige Reaktion bei Mängeln (Stilllegung, Reparatur, Nachprüfung)
9. Gerichtsurteile und reale Beispiele
In der Praxis haben viele Gerichtsurteile die Konsequenzen unzureichender Prüfungen deutlich gemacht. Hier einige anonymisierte Fallbeispiele:
- Fall A: Ein Auszubildender wurde durch einen defekten Stromanschluss verletzt. Die Prüfung lag über 4 Jahre zurück. Ergebnis: Geschäftsführer verurteilt wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 8 Monaten auf Bewährung.
- Fall B: In einer Werkstatt brannte ein Gerät durch, es kam zu einem Stromschlag mit Todesfolge. Kein Nachweis über durchgeführte Prüfungen. Die Versicherung verweigerte die Zahlung – das Unternehmen meldete Insolvenz an.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig die DGUV V3 Prüfung in der betrieblichen Praxis ist – nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch zur rechtlichen Absicherung.
Fazit: Vorsorge statt Nachsorge
Ein Stromunfall ist immer ein Ernstfall – für die betroffene Person, für das Unternehmen und für die Verantwortlichen. Die rechtlichen Folgen eines Stromunfalls ohne DGUV V3 Prüfung sind erheblich und können den gesamten Betrieb gefährden.
Daher gilt: Prävention ist der beste Schutz. Mit einem strukturierten Prüfkonzept, regelmäßiger Dokumentation und geschultem Personal lassen sich nicht nur Unfälle vermeiden, sondern auch rechtliche Risiken deutlich minimieren.